Abbruch


             
       
 
 
       
       
 
  Grammatik / Abbruch
   
     
   
     
     
 

Als Sprengung des geschlossenen Satzbaus kann man auch alle Fälle von plötzlichem Abbruch (griech.: Aposiopese) bezeichnen. Selbstverständlich lassen wir die Nichtvollendung eines Satzes als Zeichen von Unwissen, Achtlosigkeit oder mangelnder Sprachbeherrschung beiseite; uns interessiert nur die Aposiopese als Stilmittel. Häufig wird der plötzliche Abbruch aus gesellschaftlichen Rücksichten verwendet.

Der Sprechende oder Schreibende setzt zu einem erregten Ausdruck an, beherrscht sich jedoch und spricht nicht zu Ende. Der plötzliche Abbruch wirkt aber vielleicht noch mehr, als wenn der Satz zu Ende gesprochen würde.

Die Aposiopese – und darin beruht ihr wichtigster Ausdruckwert – ist dazu geschaffen, Spannung und Neugier zu erwecken.

Der Abbruch wird durch die Tonführung unterstrichen: die Stimme bleibt gehoben, was in diesem Fall dem Satz etwas Drohendes verleiht.

In der schönen Literatur dient die Aposiopese gewöhnlich als Spannungsmittel. An einer erregenden Stelle wird plötzlich abgebrochen, es bleibt dem Leser überlassen, sich das Weitere auszumalen. Die Pause, die durch das plötzliche Verstummen entsteht, ist eine Pause ausdrucksvollen Schweigens. Sie ist nicht leer – im Gegenteil, sie ist erfüllt von allerlei möglichen Fortsetzungen. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn sich gerade die billige Unterhaltungsliteratur dieses Stilmittels bemächtigt und sogar aus ihm Kapital schlägt. In den Romanen der verschiedensten deutschen „Familienzeitschriften“, die in Fortsetzungen abgedruckt werden, erscheint die Aposiopese mit Vorliebe am Ende des Kapitels.

Hier dient der plötzliche Abbruch an einer spannenden Stelle als Lockmittel, damit der Leser die nächste Fortsetzung bestimmt kaufe.

Heine verwendet den plötzlichen Satzabbruch häufig, teils mit der fiktion, als ob er etwas Unangenehmes nicht bis zu Ende sprechen könne, teils um den Stil der leichten und unverbindlichen Plauderei zu unterstrichen.

Demgemäß befinden sich auch bei Heine die Satzabbrüche oft am ende des Kapitels oder des Buchs.

Die Aposiopese verfügt ferner über starke dynamische Wirkung. Daher wird sie im Drama verwendet, um den Dialog lebendiger zu gestalten.

Der Gesprächspartner läßt den Sprechenden nicht zu Ende kommen, er fällt ihm ungeduldig ins Wort. Im klassischen deutschen Drama ist eine derartige Dialogführung höchst selten.

Im Dialog (besonders in der Alltagsrede) greift man zur Aposiopese, um durch spottende, abgebrochene Wiederholung dem Gesprächspartner nachzuäffen.

Die Verwendungsmöglichkeiten des plötzlichen Abbruchs in der Sprachwirklichkeit sind ungeheuer mannigfaltig; wir begnügen uns mit den bisher aufgezählten.

 
     
   

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