Die Aufzählung in all ihren Erscheinungsarten (verschieden je nach dem, was und wie aufgezählt, d. h. aneinandergereiht wird) ist eines der ältesten sprachlichen Ausdrucksmittel, in den meisten Stilarten wegen der durch sie entstehenden Anschaulichkeit, Dynamik und Rhythmik sehr beliebt.
Zunächst über das Begrfffspaar „Aufzählung von Wörtern und Wortgruppen" — „Aufzählung von Sätzen". Beide Komponenten dieses Begriffspaars werden durch ein gemeinsames Merkmal charackterisiert: durch die Lockerheit der Aneinanderreihung, die es ermöglicht, ein oder das andere Kettenglied umzustellen oder völlig auszulassen, ohne daß dadurch der Sinn des Ganzen gestört würde.
An der Neujahrstanne hingen viele Äpfel, Nüsse, Apfelsinen, Konfekt, Backwerk und noch viele andere gute Sachen (Alltagsrede).
...wenn zu Rom der Triumphator, ruhmbekränzt und purpurgeschmückt, auf seinem goldnen Wagen mit weißen Rosen vom Campo Martii einherfuhr, wie ein Gott hervorragend aus dem feierlichen Zuge der Lektoren, Musikanten, Tänzer, Priester, Sklaven, Elefanten, Trophenträger, Konsuln, Senatoren, Soldaten: dann sang... (H. Heine. Ideen. Das Buch Le Grand).
Eine kompliziertere, darum aber nicht weniger übersichtliche Form der Aufzählung entsteht, wenn von den einzelnen Kettengliedern Nebensätze abhängen. So z. B. in folgendem Beispiel aus einer Zeitungsnotiz über antiimperialistische Demonstrationen in Taiwan:
...In ihnen steckt aber weit mehr als nur der Protest gegen diese eine Ungerechtigkeit: der Haß der Bevölkerung Taiwans gegen die amerikanischen Monopole, die sie wirtschaftlich knechten und schamlos ausbeuten; gegen die amerikanischen Besatzer, die ihre Menschen würde mit Füßen treten; gegen den kleinen Boß Tschiang Kai-schek, der sein verhaßtes Regime nur
durch die amerikanische Rückendeckung aufrechterhalten kann; gegen...
Selbst im Rahmen einer nüchtern-sachlichen Darstellung behält die Aufzählung den Grundkern ihrer Spezifik bei: Anschaulichkeit und eine gewisse Lockerheit der Aneinanderreihung, die Veränderungen innerhalb der einzelnen Kettenglieder zuläßt. Wenn z. B. der Verfasser eines wissenschaftlich-technischen Artikels erklärt, hier handle es sich um einen Fragenkomplex, der Chemiker und Metallurgen, Korrosions- und Verschleißspezialisten, Rohrleitungs- und Pumpenkonstrukteure, Wasserreinigungsfachleute sowie Spezialisten für die Beseitigung radioaktiver Abfälle angeht, so dient die Aufzählung zwar nicht emotionaler, aber dennoch logischer Anschaulichkeit. Die Anzahl und die Reihenfolge der Kettenglieder könnte gewiß verändert werden, ohne den Inhalt des Gesagten zu beeinträchtigen.
Aufzählung als Aneinanderreihung ganzer Sätze besitzt gewöhnlich emotionalen Charakter.
Lose Satzreihen, deren Einzelglieder in ihrer Summe ein Gesamtbild ergeben, nennen wir „Treppensätze". Jeder Satz ist der Stufe einer Treppe vergleichbar; dabei lassen sich manche Stufen der Gedankentreppe überspringen, da sie logisch nur locker untereinander verbunden sind. Derartige Treppensätze finden sich in zahlreichen Naturbeschreibungen der „Harzreise":
...ich schlenderte wieder bergauf, bergab; schaute hinunter in manches hübsche Wiesental; silberne Wasser brausten, süße Waldvögel zwitscherten, die Herdenglöckchen läuteten, die mannigfaltig grünen Bäume wurden von der lieben Sonne goldig angestrahlt, und oben war die blauseidene Decke des Himmels so durchsichtig, daß man tief hinein schauen konnte, bis ins Allerheiligste, wo,die Engel zu den Füßen Gottes sitzen und in den Zügen seines Antlitzes den Generalbaß studieren.
Hier handelt es sich um eine Reihe von Impressionen, die flüchtig vorbeiziehen; jeder einzelne Satz ist mit einem bunten Tupfen zu vergleichen, den der Maler aus seiner Palette auf die Leinwand wirft.
Die Stufen der Treppensätze können auch durch Ausrufesätze gebildet werden; dies ist charakteristisch z. B. für die Sprache des Sturm und Drang:
Heida! Nun einmal in Tumult und Lärmen, daß die Sinnen herumfahren wie Dachfahnen beim Sturm!.. So viel hundert Meilen gereiset, um dich in vergessenden Lärmen zu bringen—Tolles Herz! du sollst mir's danken! Ha! tobe und spanne dich dann aus, labe dich im Wirrwarr! (F. M. Klinger. Sturm und Drang).
Was die aussagenden mit den ausrufenden Treppensätzen verbindet, ist ihre lockere, emotionale Grundhaltung. Ohne Zweifel handelt es sich hier um typischen Ergänzungsanschluß zwischen den einzelnen lose zusammengefügten Aussagen. ▲ |