Verwandschaft


             
       
 
 
       
       
 
  Wortschatz / Verwandschaft
   
     
   
     
     
 

Materialle Voraussetzung für eine wirksame sprachliche Gestaltung unserer Gedanken ist die Möglichkeit, aus einer gröβeren Anzahl von themarisch und synonymisch miteinander verbundenen Wörtern gerade das ’’treffende Wort “ herauszugreifen; gerade den Ausdruck , der die entsprechende Erscheinung der Wirklichkeit am überzeugensten wiedergibt. Für den Stielforscher ist daher die Frage der themarischen Wortgruppen und Wortreihen von ebenso groβem Interesse wie die Frage der Synonymik.

In manchen sprachwissenschaftlichen Arbeiten warden die Begriffe ’’ themarische” und ” synonymicshe Verwandschaft” nicht genügend scharf auseinandergehalten, so z. B. in dem groβen lexikografischen Werk “ Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen “ von Franz Dornseiff. Zwar ist in den neueren Auflagen der irrefürende Titel der Erstaugabe beseitigt (“Der deutsche Wortschatz  synonymisch geordnet”), doch bleibt nach wie vor eine wichtige Frage ungeklärt: Was versteht der Verfasser unter Synonymen, was unter dem “mit Synonymen gefülten begrifflichen Schema”? Auch in der letzten Auflage wiederholt F. Dornseiff seinen alten Gedanken, daβ es, streng genommtn, überhaupt keine Synonyme gebe (auβer den territorialen), gebraucht aber trotzdem immer wieder diesen “mit Vorbehalt” zu nehmenden Terminus .

Die in Dornseiffs monumentalem Nachschlagewerk angefürten Sachgruppen sind alphabetisch nach grammatischen Wortklassen geordnet; jede substantivische, adjektivische oder verbale Wortreihe vereinigt Wörter, die untereinander begrifflich (thematisch) verbunden sind. Die Sachgruppe "Bewegung" z. B. schlieβt eine reihe von etwa hundert alphabetisch geordneten Verben in sich ein. Betrachten wir eine willkürlich herausgegriffene Stelle diesen  ”Synonymenmassen” :
…bummeln- dappeln- eilen …

Bummeln- literarisch-umgangsprachlich für: “langsam, gemächlich, ziellos spazierengehen”; dappeln – mundartlich für: “ trippeln”;  eilen-  “ hastig , im beschleunigten Tempo gehen”. Selbst diese kleine Probe beweist die UnmZglichkeit, hier von Synonymen zu sprechen (Bummeln und eilen sind eher Antonyme; was sie vereinigt, ist der gemeinsame allgemeine Begriff “ gehen, sich fortbewegen”). Gewiβ stekken in dieser vielgliedrigen, semantisch und stilistisch so verschiedenartigen Verbalreihe auch einzelne Wörter, die untereinander synonym sind, z. B. : Bummelnschlendern, strolchen-stromern-tippeln (alle drei Ausdrücke ehemalige Argotismen, heute umgangsprachlich, in der Bedeutung: “ziellos wandeln, vagabundieren”). Durch die alphabetische Anordnung, bei der themarisch und synonymisch verwandte Wörter nebeneinander zu stehen kommen, wird der Systemcharakter der Sachgruppe verdunkelt und verwischt.

Einer änlichen unscharfen Gliederung begegnen wir in dem an Fachschule der DDR eingefürten Lehrbuch “ Die deutsche Sprache”, wenn im Wortfeld “gehen” folgende Wörter aufgezählt warden:
Schleichen, eilen, laufen, springen, hasten, steigen, rennen, jagen, flitzen, sausen, stürmen, marschieren, spazieren, schreiten, wandern, trippeln, stolzieren, schlürfen, rasen, latschen, huschen, bummeln, schlendern, trödeln, humpeln.
Tatsächlich handelt es sich hier um zwei Wortfelder (oder, wie man auch synonymisch sagen kann: um zwei themarischeGruppen): “gehen” und “laufen”. Aus dem Wortfeld “gehen” müssen daher von vornherein folgende Wörter ausgeschaltet warden: laufen, rennen, jagen, flitzen, sausen, stürmen, rasen.

Innerhalb der themarischen Gruppe “gehen”lassen sich zahlreche themarische Reihen unterscheiden,in denen das allgemeine und farblose Verb gehen näher bestimmt ind veranschaulicht wird. Die themarischen Reihen drücken untereinander verwandte, aber dennoch nicht gleiche Begriffe aus; im gegebenen Fall etwa: “langsam gehen” , “schnell gehen”,”unbemerkt gehen”, “auf und ab gehen” u. a.

Innerhalb jeder themarischen Reihen lassen sich synonymische Reihen aufstellen, die Wörter mit gleicher oder geringfügig schattierter Bedeutung von verschiedenen Seiten her, unter verschiedener Einstellung und verschiedener stilistiescher Beleuchung durch genaure Bezeichnungen erfassen. Vom Bedetungsumfang der themarischen Reihe hängt die Zahl der synonymischen Reihen ab (manchmal fällt die themarische Reihe mit einer einzigen synonymischen Reihe zusammen).

So enthält z. B. die themarische Reihe “langsam gehen” folgende synonymische Reihen:

  1. “gemächlich, ohne Ziel gehen”: schlendern, bummeln, dazu könnte man noch flanieren nennen. Diese drei Verben sind wirklich synonym, da sie die gleich logisch-gegenständliche Bedeutung haben und nur geringe stilistische Schattirungen besitzen (bemerkbar bloβ bei konkreter Verwendung in diesem oder jenem Zusammenhang).
  2. In die synonymische Reihe “ langsam gehen wegen körperlicher Behinderung” gehört aus der oben angef“ langsam gehenführten Illustration nur ein einziges Verb: humpeln. Man könnte hinzufügen: hinken, hatschen (umgangsprachlich- bei “ wehem Fuβ).
  3. In die synonymische Reihe “ langsam gehen aus Schlaffheit” können eingereiht warden: schlurfen, schlürfen (d. h. mit schleifenden Füβen),  latschen (umgangsprachlich für: “schleppend gehen”). Man könnte hinzufügen: watscheln, hatschen (in der Bedeutung     “langsam gehen”). Wie ersichtlich, enthalten die synonymischen Reihen sowohl ideograffische (begriffliche) als auch stilistische Varianten. Das Verb trödeln (s. oben) gehört überhaupt nicht zu “gehen”, sondern in die thematische Gruppe “ die Zeit verbringen” (thematische Reihe: die Zeit unnütz verbringen”); allerdings kann es im entsprechenden Kontext als Ersatz für “langsam gehen” verwendet warden.

   Auf änlichen Weise können die Synonyme innerhalb der übrigen thematischen Reihen analysiert werden.

 
     
   

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